Die Stifterin

Doris Niemann (geb. Wuppermann) gründete die Stiftung 2002. Im Interview erklärt Sie, was Sie dazu bewogen hat und welche Themen Ihr wichtig sind.

Doris Wuppermann Stiftung

Wie warst Du eigentlich als Jugendliche? Wie hast Du damals Politik wahrgenommen?

 

Ich bin in Zeiten des Kalten Kriegs aufgewachsen und habe mich als Kind immer ein bisschen verunsichert oder sogar bedroht gefühlt. „Wenn der Russe kommt...“ hieß es oft. Und wenn die Sirenen beim Probealarm heulten, dachte, jetzt sei es so weit.

 

Später als Jugendliche fühlte ich mich als Deutsche mitschuldig an dem, was wir im Dritten Reich insbesondere den Juden angetan hatten. Weil ich kaum die Möglichkeit bekam, der Generation der Täter Fragen zu stellen und ehrliche Antworten zu erhalten, habe ich viel über die NS-Zeit und den Holocaust gelesen.

 

 

Warum ist es Dir wichtig, Kinder und Jugendliche für politisches Handeln zu ermuntern und unterstützen?

 

In meiner Kindheit und Jugend fand politische Bildung weder zu Hause noch in der Schule statt.

 

Doch nur durch frühzeitiges Einüben von politischen Handlungsweisen, wie zum Beispiel Debattieren, Abwägen von Alternativen, das Fällen von Entscheidungen nach Sachkriterien, durch Toleranz gegenüber anderen Meinungen und durch die Fähigkeit zum Kompromiss werden Menschen in die Lage versetzt, Verantwortung in politischen Ämtern zu übernehmen.

 

 

Was können Erwachsene von Kindern und Jugendlichen für die Politik lernen?

 

Kinder haben keine Vorurteile. Kinder und Jugendliche haben einen unverstellten Blick auf die Welt. Sie äußern ihre Wünsche und Bedürfnisse klar und auch mal laut. Sie übertreiben und sind hartnäckig. Aber nur so können sie sich Gehör verschaffen.

 

Erwachsene hingegen laufen Gefahr, sich in Verordnungen, Gesetzen und vermeintlichen Sachzwängen, aber auch in eigenen Erfahrungen so zu verlieren, dass ihnen das eigentliche Ziel aus dem Blick gerät.

 

 

Was hat Dich bewogen, im Jahr 2002 die Doris-Wuppermann-Stiftung zu gründen?

 

Als aktives SPD-Mitglied bekam ich zunehmend den Eindruck, dass zu wenige junge Menschen sich politisch in Parteien engagieren wollen und dass die Auswahl an qualifizierten Kandidierenden für politische Ämter dadurch immer geringer wird.

 

Und diese Menschen sind es ja schließlich, denen wir als Wähler*innen die Geschicke unseres Landes anvertrauen wollen. Mit meiner Stiftung hoffe ich, einen, wenn auch winzigen, Beitrag zu leisten, den Fundus zu vergrößern, aus dem die demokratischen Parteien unseres Landes politisch gebildete, sozial denkende Abgeordnete schöpfen können.

 

 

Welche Themen liegen Dir besonders am Herzen und warum?

 

Nur das Kennenlernen unserer Vergangenheit und die kritische Auseinandersetzung mit ihr befähigt Menschen dazu, einen moralischen und politischen Kompass für Gegenwart und Zukunft zu entwickeln. Deshalb sind für mich die Fahrten zu den Gedenkstätten und Orten des Erinnerns sowie Gespräche mit Zeitzeugen wichtig.

 

Rechtsextreme verlagern ihre Standorte und Aktivitäten zunehmend in den Osten Deutschlands. Projekte zur Stärkung der Strukturen einer demokratischen Zivilgesellschaft, gerade auch für Jugendliche, sind daher eminent wichtig.

 

Die junge Generation hat den Kalten Krieg nicht erlebt. Es ist jetzt ihre Aufgabe, den Frieden in Europa zu bewahren. Länderübergreifende Projekte könnten dafür ein Baustein sein.

 

Der Klimawandel mit allen daraus folgenden sozialen Aspekten ist eine Bedrohung für unsere Demokratie. Hier hoffe ich, dass junge Menschen sich kraftvoll äußern und die etablierten Politiker zum Handeln zwingen.

 

 

Hast Du einen „klugen Spruch“ oder einen Rat, der Dich durchs Leben begleitet?

 

Mit klugen Sprüchen habe ich so meine Probleme, aber einen Rat für mich selbst habe ich schon: Auf die Jugend hören, auf Augenhöhe mit ihr sprechen, rechtzeitig für Nachfolge sorgen.

 

In den Jahren 2006 und 2007 fand eine vom Europäischen Rat initiierte Kampagne für Vielfalt, Menschenrechte und Partizipation statt, bei der unsere Stiftung auch fördernd tätig war. Deren Motto überzeugt mich nach wie vor: „Alle anders, alle gleich“.